Freitag, 14. Dezember 2007

...

Donnerstag, 13. Dezember 2007

Kommentare

Ich war so viel älter / damals als ich jung war.
Eric Burdon and the Animals

Ein Leben, das einem Ziel zustrebt, lässt wenig Platz für Erinnerungen.
Michel Houellebecq

Nichts weiß ich, wenn ich an das große Ganze denke / Oder ist es das große Ganze, was mich vergisst
Fernando Pessoa

In manchen Altenheimen sind vor den Notausgängen schwarze Rechtecke auf den Boden gemalt, damit die Dementen denken, da wäre ein Loch und nicht durch die Notausgangtür (die aus Sicherheitsgründen nicht abgeschlossen werden darf) flüchten.
Die echte Welt

Eine neue Beobachtung, oder nicht?

Ein Brief. Es hatte da etwas mit einem Brief gegeben. Gestern vielleicht oder vor einer Woche. Seine Initialen waren darauf zu lesen gewesen. Fritze Wegner strauchelt beim Durchforsten seiner zerschossenen Erinnerung, stößt auf Zeitungen, nein Notizen, es waren Notizen oder Aufzeichnungen. Er kramt in den seltsamen Räumen seines Hauses, in denen jemand, vielleicht seine Frau, die sich seit Tagen nicht blicken lässt, kuriose Bilder und Geschriebenes aufgehängt hat. Fritze Wegner würde diesen Schnickschnack gern abnehmen, traut sich aber nicht. Er entdeckt ein Notizheft mit dem Namen "Persönliches Tagebuch F. Wegner", blättert und findet.

Habe Brief an anonyme Person geschickt, habe Brieftaube benutzt. Hoffe der Empfänger kennt die Antwort.

Fritze Wegner muss sich hinsetzen und starrt eine Weile auf die Notiz, reibt sich die müden Augen,
bis ihn ein Ziehen im Geist aufspringen lässt, hinauslaufen, den Hut vergessen, da ist etwas zu tun und es muss schnell getan werden, die Notizen müssen mit und sind auch dabei, immer schneller läuft F. W. durch das bekannte Geflecht der Straßen, man sieht sein Gesicht glühen und die Arme schlingern, man
sieht ihn immer langsamer werden, denn er weiß nicht, was zu tun ist, muss ohne Ziel weiter schlendern und erreicht eine Menschenmenge. Sie scheinen dazustehen. Fritze Wegner geht näher heran, um zu erkennen, wer sie sind. Sie lassen eine Lücke für ihn, geben Preis, was sie betrachten. Doch die Augen sind schlecht und ihre Gläser zu Hause, Fritze Wegner fällt, muss in eine Leere blicken und sieht seine Notizen weiß winkend wie ein Taschentuch hinunterschweben.

13. Dezember

"Aber nur die Roten!", ein harter Befehlston, sie: klein, alt und weißhaarig. Viola nickt und beginnt in das lichte Haar der Meyer Lockenwickler zu drehen. "Wie alt ist denn das Kind?", fragt sie. Kein Tag ohne diese Frage, denkt Viola und spürt eine Wut in sich aufkommen. "Acht", sagt sie, "er ist acht", acht, zu groß geraten, krumm wie ein alter Mann, auf dem Schulhof der, der abseits steht, der Komische, den die anderen Vollidiot nennen. Viola denkt, dass sie zu den anderen gehört hätte und dass das alles irgendwie nicht zusammen passt.
"Unglaublich, dieses Loch", sagt die Meyer in eine minutenlange Stille hinein, "die pure Zerstörung!", sagt sie, in ihrer Stimme so eine Art Wahnsinn. "Halt", schreit sie "keine Grünen, Gelben, Blauen oder Pinken! Nur die Roten!Wie oft soll ich Ihnen das denn noch sagen?" Viola schmunzelt, diese irren, alten Weiber. "Du Biest" flüstert sie. Dann stellt sie die Trockenhaube extra heiß.

Ein Loch, tief, schwarz und rund. Es stimmt also! Viola steigt über das rotweiße Absperrband, dann setzt sie sich, lässt die Beine in die Tiefe baumeln. Eine Sehnsucht, die sie nach unten lockt, springen, sich im freien Fall befinden, in einer anderen Welt wach werden, vier Beine haben und zwei Köpfe.
Viola löst die goldene Armbanduhr von ihrem Handgelenk, 13:15, irgendeinTag im Dezember. Sie hält die Uhr in ihrer rechten Hand, streckt ihren rechten Arm aus und lässt los. "Ich komme nach", murmelt sie, steht auf, federleicht, steigt auf ihr Rad, fährt, wirft den Kopf in den Nacken, ruft, fährt freihändig, fährt schnell, fährt ohne zu zögern.

Zitternde Äste, Ameisenschritte und Kinderstimmen unter der Stadt. Sie hört die Haut an ihren Händen reißen: ein Hund, der sich rot leckt und ein Kind, das große Augen hat und ein Junge, der sich in ihre Gedanken kämpft und 1000 Monde über der Stadt und glitzernder Straßenbelag und this is so fucking schön und Abschied, Abschied zum ersten Mal und der Junge, der sich in ihre Gedanken kämpft und ein weißes Kaninchen, das sie nach Australien lockt und ein Loch, das ihren Namen ruft: Viola.

Mittwoch, 12. Dezember 2007

Adam

"...; und die auf Erden wohnen, sind betrunken geworden von dem Wein ihrer Hurerei."

Offenbarung, 17, 2

Behutsam legte er ihnen beiden eine Wurzel ins Terrarium. Zuerst rührte sich Ben-Ammi um sich sein Futter zu holen, dann auch Moab. Die restlichen Wurzeln legte Adam in eine kühle Truhe und holte dann aus dieser einen Leinensack heraus. Er dachte an den grünen, knarrenden Sessel passend zum Sofa. Er saß auf dem Fußboden und spielte mit seiner Kusine. Seine Mutter, monoton knarrend las von oben auf sie hinab. Sie trug keine Strümpfe, die trug sie so gut wie nie. Nur ihre grauen Latschen, Adam konnte ihre Zehen sehen. Wie kleine Inseln verschwanden die roten Flecken Nagellack immer langsam von ihren Füßen. Dann lackierte sie neu. Da sah Adam manchmal auch zu. Es war ein Kinderspiel für sie. Sie war immer sehr dünn gewesen, sehr drahtig. Locker winkelte sie das Bein an und führte mit einem Arm den kleinen Pinsel. Es war immer dasselbe dicke Buch mit den dünnen Seiten. Es war oft Vernichtung, oft Erlösung. Der leblose Körper lag vor ihm und das weiche dichte Fell, die zähe Haut, die Sehnen, es war so voll in seinen Händen, voll und dunkel leuchtend.
Oft trug sie diesen braunen Morgenmantel mit den Blumen über der rechten Brust. Wenn sie die Beine übereinander schlug, konnte Adam immer ihre enge lange Unterhose sehen. Seine Kusine, daran erinnerte sich Adam jetzt, spielte immer am liebsten mit den Holzkühen. Oft steckte sie ein paar davon unter ihren Pullover. Sie sagte, da haben sie es warm. Sie wollte sie beschützen. Eng an ihrer Haut, dort war es dunkel, wer konnte ihnen da etwas tun.
In einem Blecheimer wusch er das Fell. Er knetete es kräftig. Die Seife schäumte, das Fell wurde weiß.

...

Das muss dir erstmal passieren, dachte Braunscheid später noch: Dass die dir den größten Gegenstand entwenden, den du kennst. Der dir auch irgendwie gehört, jeden Tag ein paar Stunden. Und dann kommen die mit ihren Knarren und fühlen sich verbots- und entsorgungsberechtigt. In einer behördlichen Befehlssprache, die es gar nicht mehr gibt in der echten Welt, so von wegen "Bürger Braunscheid, ihre Dokumente, sofort!" (woher wussten die seinen Namen?) Das hatte ihn geärgert, wirklich geärgert, wie unfreundlich die waren! Flaumbärtige Bundeswehrangehörige, denen die mehrjährige, freiwillige Verpflichtung als Flucht vor eigener Lebens- und Tagesplanung gerade recht kam, und die nun endlich mal was anderes als Kaserneputzen und Hubschrauberflugscheinprüfung erledigen durften. Und die ihm seinen Bus abknöpfen sollten, so von wegen "In Anbetracht der aktuellen Ereignisse halten wir es für notwendig". Konnten die aber vergessen. Konnten die mal so richtig vergessen. Waren die ersten Menschen, die vergessen konnten, dass Braunscheid immer tat, was von ihm verlangt wurde, um niemanden zu kränken. Braunscheid konnte auch "in Anbetracht der aktuellen Ereignisse" denken+handeln!
Also zack, Rückwärtsgang bis zum Waldrand, die Soldaten zu perplex zum Schießen (oder die Gewehre gar nicht geladen?), auf dem Feldweg gewendet und schnurstracks zum Rathaus, was sollte denn der Scheiß, er würde sich jetzt beschweren, so ging es ja nun nicht.

Aber als Braunscheid sah, dass der Marktplatz nur noch ein Loch war, mindestens so tief, wie das Rathaus früher mal hoch gewesen war, da dachte er: Jetzt spinnen sie alle, dann mach ich halt mit, mach ich halt auch mal das, was alle machen. Er wendete das Bushinterteil dem Loch zu, fuhr langsam an, fletschte die Zähne ins Nichts der glotzenden Menge und riss erst im letzten Moment die Fahrertür auf, um hinauszuspringen, und während er die Arme in die Luft hob, eine Siegerpose ohne Lächeln, versank der Bus hinter ihm geräuschlos im Loch.

MaLiNaSuNaSiMoN

Teppich-Malina-Suna
12:21
Malina Suna Simon hatte das Gefühl, einmal früh aufgewacht zu sein.
Heute könnte es etwas werden mit dem Friseurbesuch und damit dem Beginn einer neuen Epoche: Sie, Malina Suna Simon, "back to life", sie, Malina Suna Simon, auf dem Weg zum Erfolg.
„Anderes Aussehen=anderer Marktwert, anderer Marktwert= besseres Selbstwertgefühl, besseres Selbstwertgefühl=mehr Möglichkeiten zur Selbstvermarktung=höherer Marktwert, höherer Marktwert=Integration in die so genannte Realität“ dachte Malina Suna Simon, während sie den Küchenschrank öffnete und gähnende Leere vorfand. Tagelang hatte sie nur Reis gegessen, nun war auch die Reispackung bis auf ein paar lächerliche Körner verzehrt.
„Es ist Zeit, mich hinauszuquälen“ dachte sie und begann, nach ihrem vor Tagen abgeschalteten Handy zu suchen. Sie stellte es an, kein Piepsen, kein Vibrieren. Nicht, dass es sie erstaunt hätte, Malina Suna Simon wurde so gut wie nie angerufen, bekam so gut wie nie Nachrichten. Gleichwohl verspürte sie in diesem Moment Enttäuschung über die Gleichgültigkeit der Außenwelt. „Wie schön wäre es, eine alles entscheidende Sms zu erhalten, so etwas wie eine Botschaft“ dachte sie, als ihr Blick mit einem Mal auf die Datumsanzeige fiel. Das konnte doch gar nicht wahr sein! Sie war doch nicht zwei Wochen in ihrer Wohnung geblieben ohne sich hinauszu........Sie hatte doch nicht bereits vor zwei Wochen den Entschluss gefasst, zum Friseur zu....Nein, das mit dem Arbeitsamt war doch keine zwei Wochen her!!!!! Zwei Wochen, das war doch schier unmöglich, das Datum mußte falsch sein. Sie musste sofort das richtige Datum herausfinden!Malina Suna Simon schnappte sich Mantel und Mütze aus der begehbaren Gaderobe, öffnete die fünffach sicherheitsverriegelte Stahltür und stürmte auf die Straße, von ihrer plötzlichen Energie selber erstaunt.
„Einfach schnell die nächste Zeitung kaufen“ war ihr einziger, wiederholter Gedanke während sie mit hastigen Schritten, ohne nach rechts und links zu sehen zum Kiosk eilte. Vorbei an den Fischerhäuschen, vorbei am Krötenkonzert.


13:31
Malina Suna Simon starrte die FAZ entgeistert an. Das Datum stimmte. Wo war die Zeit geblieben? Was hatte sie denn die ganze Zeit gemacht? Sie hatte.....Ja, sie hatte gelesen, gedacht, geschlafen, gelesen........... „Das kann nicht wahr sein!“ dachte sie und entschloss sich, die Zeitung dennoch zu kaufen und, auf den Schock, auch gleich noch fünf Packungen Maltesers und drei Schachteln Zigaretten dazu. Etwas Luxus muss sein, mir etwas gönnen, um das Sparen zu ertragen." Malina Suna Simon blickte den stets wortkargen und aufs Äußerste bemüht wirkenden Kioskbesitzer von oben herab an, zahlte beinahe stolz und dachte: „Grins mich nicht so blöd an.Ich weiß ganz genau mir steht ACHTUNG! ACHTUNG! ARBEITSLOSE! auf die Stirn tätowiert. Ich sehe dir ja an, dass du dachtest, ich hätte kein Geld oder käme mit einem frisch geschlachteten Sparschwein aus 2-centstücken hier an, aber da täuschst du dich, Freundchen!"
Ohne Abschiedsgruß machte Malina Suna Simon auf dem Absatz kehrt und beeilte sich, zurück nach Hause zu kommen, rauchte eine Zigarette nach der anderen ohne dabei den Blick von dem Erscheinungsdatum der Zeitung abzuwenden die sie aufgefaltet wie einen Panzer vor sich hertrug.
Zurück in Sicherheit, das Stahltürschloß fünffach abgeriegelt, dreifach überprüft, zurück in Sicherheit auf dem Perserteppich, schlug sie das Feuilleton auf. Die Buchstaben begannen vor ihr zu tanzen: Buchstabensalat: Zwei Wochen, zwei Wochen, zwei Wochen, zwei Wochen,zwei Wochen...............................
Sie versuchte sich zu konzentrieren, betrachtete die Buchstaben als könne sie sie hypnotisieren und damit zähmen, zugänglich machen. Provokative Aidainszenierung! tanzte vor ihren Augen herum, sinnesentleert. "So einen Scheiß will doch eh niemand lesen!“ dachte sie, entschied, sich selber nicht durch die Erfolge von Kollegen zu quälen, zerknüllte das Feuilleton, schmiss es hinter sich auf den Teppich und suchte nach der Seite mit Kuriosem aus aller Welt. „Ein Artikel über das Rathaus hier.....“ „Massen an Menschen und Dingen auf misteriöse Art und Weise von ominösem Loch angesogen.........“
"Das ist ja wohl der Beweis, das die Welt nun endgültig verrückt spielt-und da soll ich an meinem Verstand zweifeln! Wer will denn an so einer Welt teilhaben?“ dachte Malina Suna Simon wütend, zerknüllte nunmehr die gesamte Zeitung, überlegte sie zu einem späteren Zeitpunkt für Pappmaschee zu verwenden und legte sich mit „Also sprach Zarathustra“ zurück ins Bett. Sie dachte: „Ein mysteriöses Loch!Tzzzzzzzzzzzzzzzz!" und schlug das Kapitel Von großen Ereignissen auf: „Die Erde, sagte er, hat eine Haut; und diese Haut hat Krankheiten. Eine dieser Krankheiten heisst zum Beispiel: "Mensch."
Ihr versteht zu brüllen und mit Asche zu verdunkeln! Ihr seid die besten Grossmäuler und lerntet sattsam die Kunst, Schlamm heiss zu sieden.Wo ihr seid, da muss stets Schlamm in der Nähe sein, und viel Schwammichtes, Höhlichtes, Eingezwängtes: das will in die Freiheit.
"Freiheit" brüllt ihr Alle am liebsten: aber ich verlernte den Glauben an "grosse Ereignisse," sobald viel Gebrüll und Rauch um sie herum ist."

Dienstag, 11. Dezember 2007

Zu häufiges Sitzen verursacht den Zerfall der Zell- und Gewebestruktur der Bandscheibe!

images4Ein bisschen frieren am Morgen. Das Einschlafen vom Abend nachvollziehen. Das Aufwachen verwünschen. Sich ins Leben zurück kotzen. Dann in ein Loch gesogen. Nun im Loch. Das Loch hindurch. Ankommen in den Spiegelwelten. Vielleicht auch durch einen Kreis gefallen und alles wieder beim Alten. Vielleicht.
Die Welt auf links gedreht. images11Damit sie gewaschen werden kann und das schonend. Schonung dennoch nicht angebracht, weil Schonung schont. Auf der Welt ein Schonbezug. Die Welt ein Sofa. Viel zu bequem, dass niemand mehr aufsteht. Längst ist die Welt durchgesessen. Manche sind eingesunken, bald verschluckt. In einem Loch. Das Sofa hat an einer Stelle nachgegeben, jetzt fallen sie alle hinein.images3

Sonntag, 9. Dezember 2007

...

Dann kippt sie einfach um. Ihre Beine knicken ein, der linke Arm schlägt zuerst auf den Asphalt, wenige Meter neben dem Loch. Sofort eilen ein paar Menschen herbei, Schaulustige bilden einen hübschen Kreis. Merkwürdiger Weise kommt nun auch Mihir von hinten herangelaufen, hat Pina erkannt, drängt sich vorbei an den Menschen, trägt ein oranges Gewand heute. „Was ist mit ihr?“, brüllt er die Herumstehenden an, es liegt Angst in seiner Stimme. Eine junge Frau zuckt mit den Schultern, „sie ist einfach so umgefallen.“ „Verdammt, man fällt doch nicht einfach so um, ruf doch einer mal den Notarzt! Das ist das Loch, dieses verdammte Loch, ich sag es euch, es geht eine ganz schlechte Energie aus von diesem Loch.“ Ein paar Menschen nicken zustimmend, der Notarzt trifft schon ein. Alles geht nun sehr schnell, der Arzt sagt: „Die nehmen wir mit.“, es klingt grausam wie er es sagt, dann packt er Pina, die die Augen geschlossen hat, ihre Lider zucken unentwegt, sie atmet, schiebt sie auf einer Trage in den Wagen, die Türen gehen zu, der Wagen braust los. Der Kreis der Schaulustigen verliert sich wieder, zerteilt sich in um das Loch stehende Gruppen. Mihir bleibt als oranger Punkt zurück, murmelt etwas, das man natürlich nicht verstehen kann, wenn man ihn von einer Entfernung aus betrachtet, von der aus er einem wie ein Punkt erscheint.


Die Eltern sitzen um das Bett herum so gut sie können. Pina liegt da, bewusstlos, bleich, mit Schläuchen an den Armen, die erst ein Stück parallel laufen, dann überkreuzen sie sich, gehen dann irgendwohin verloren. Der Vater hat die Hand der Mutter gefasst. „Kind“, murmelt er. Alles ist sonst still, etwas piept gleichmäßig, farblos. Irgendwann später geht die Tür auf, herein kommt die Oma: „Was ist denn mit der Lina?“ Dann setzt sie sich dazu, in das Schweigen. Es vergeht wohl viel Zeit. Plötzlich räuspert sich der Vater, sagt wie aus dem Nichts, in einem für ihn so untypischen Tonfall, dass sich die Mutter wie die Oma erschrecken: „Was hat das Loch mit meiner Tochter gemacht?“ „Erwin“, sagt die Mutter nur, drückt die Hand des Vaters fester, „Mensch Erwin.“

...

Irgendwo aus der unschätzbaren Tiefe des Lochs fliegt Musik über den Rand in Marlenes Ohren:


The wintergreen, the juniper
The cornflower and the chicory
All the words you said to me
Still vibrating in the air
The elm, the ash and the linden tree
The dark and deep, enchanted sea
The trembling moon and the stars unfurled
There she goes, my beautiful world

There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes again

John Willmot penned his poetry
riddled with the pox
Nabakov wrote on index cards,
at a lectern, in his socks
St. John of the Cross did his best stuff
imprisoned in a box
And JohnnyThunders was half alive
when he wrote Chinese Rocks

Well, me, I'm lying here, with nothing in my ears
Me, I'm lying here, with nothing in my ears
Me, I'm lying here, for what seems years
I'm just lying on my bed with nothing in my head

Send that stuff on down to me
Send that stuff on down to me
Send that stuff on down to me
Send that stuff on down to me

There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes again

Karl Marx squeezed his carbuncles
while writing Das Kapital
And Gauguin, he buggered off, man,
and went all tropical
While Philip Larkin stuck it out
in a library in Hull
And Dylan Thomas died drunk in
St. Vincent's hospital

Möchten Sie dieses Lied hören?

Ja
Nein

  Resultate

Die Welt, 20:47h.

I will kneel at your feet
I will lie at your door
I will rock you to sleep
I will roll on the floor
And I'll ask for nothing
Nothing in this life
I'll ask for nothing
Give me ever-lasting life

I just want to move the world
I just want to move the world
I just want to move the world
I just want to move

There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes again

So if you got a trumpet, get on your feet,
brother, and blow it
If you've got a field, that don't yield,
well get up and hoe it

I look at you and you look at me and
deep in our hearts know it
That you weren't much of a muse,
but then I weren't much of a poet

I will be your slave
I will peel you grapes
Up on your pedestal
With your ivory and apes
With your book of ideas
With your alchemy
O Come on
Send that stuff on down to me

Send that stuff on down to me
Send that stuff on down to me
Send that stuff on down to me
Send that stuff on down to me
Send it all around the world
Cause here she comes, my beautiful girl

There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes, my beautiful world
There she goes again

Samstag, 8. Dezember 2007

"Nun hatte ich die Hälfte der australischen Küste abgefahren und war quasi am Ende der Welt, und es waren immer noch eintausendsechshundert Meilen Leere zu einer Attraktion im selben Staat."

In ein Loch gefallen. Hier und Gestern.
5OCACXEYSKCA7QX09CCAGSZ32LCA8W8X19CAN88AILCA24U29TCAO79NXKCA5SL8EUCA8AHX6KCANZNZ08CAX4FQ5NCAEQHTKUCAJ2SOBICAIIHS1VCABUHE9MCABF34PBCA12AP93CAWM24MGCAG6K1HY
Wohl jetzt in Australien.TDCARR4YIZCA6RXW2GCAP59F2CCAFPLBHVCAAPDJBWCAAZV4LXCA6TGLPMCAVRG7QZCAT9AOK0CAILO9OCCAYK86EWCAEZCNVHCAMV4EK9CAKI9TORCARI1ATZCAIR9DONCABM6ZBVCA485FUYCAXAM91M

Sonntag

Durch den Stadtpark; am Boden schweres Grün, in welches Wege aus hellem Braun greifen, der Himmel verhangen in einer schweren Trübung. Verdorrte Pflanzen und Zweige, in der Hand die Zeilen für die nächste Andacht. Herr Alberg musste sie noch ein wenig mehr verinnerlichen, er konnte sie noch nicht ohne zu Stocken vortragen. Er hatte nun den Park durchquert und kam in eine kleine Gasse, welche zur Rathausstraße führte. Ein Windstoß fegte die Blätter aus seiner Hand, sie flogen ein paar Meter, stießen mit dem Rand auf dem Asphalt auf, trudelten, wurden erneut aufgewirbelt. Herr Alberg hastete hinterher, bis er an ein schräg rot-weiß gestreiftes Band kam, welches an rostigen Streben befestigt war. Die Zettel blieben knapp hinter der Absperrung liegen, unter welcher er sich hindurch bückte, aber noch bevor er sie erreichte, verschwanden sie in dem großen Loch, von dem er gelesen hatte.

Marie hat so etwas noch nicht gesehen.

Man muss aufpassen, die Menschen sind Scheiße. Sie stehen herum. Das Loch ist größer als. Hier fehlt das Bild, ein Bild-Loch. Sie würde ja gerne etwas hinein schmeißen, am Besten Tomas. Tomas hat sich verliebt. Aber. Manche spielen PingPong, manche Katze, andere werden noch etwas hinein fallen lassen. Sie selbst möchte sich da noch nicht festlegen. Vielleicht fällt ihr etwas ein.

Freitag, 7. Dezember 2007

...

Ein Loch (von ahd. loch; mhd. loh) ist eine leere oder offene Stelle, die von Materie umgeben ist, welche im Loch nicht (mehr) vorhanden ist. Löcher entstehen meist durch äußere Einwirkung: beispielsweise durch absichtliche Beschädigung der sie umgebenden Materie.
Beispiel für ein Loch: Weil das Bild fehlt, gibt es hier ein Bild-Loch
Beispiel für ein Loch: Weil das Bild fehlt, gibt es hier ein Bild-Loch

Ein Loch ist nicht Nichts, sondern immer Etwas, weil es trotz der Abwesenheit von Materie sichtbar und greifbar ist. Ein Loch zeichnet sich dadurch aus, dass es an Erde fehlt. (Rotermann) Löcher lassen sich nicht durch weitere Löcher schließen. [...]
(http://kamelopedia.mormo.org/index.php/Loch)

Zum Loch, am Loch, übers Loch, ins Loch.

Marlene läuft in schnellen Kurven Richtung Sperrgebiet. Oscar Niemeyer-Gehart.
Das Wasser in den Pfützen ist gefroren, unter einer der vielen Eisdecken leuchtet es rosa. Brauseufos.
Sie ist eine von vielen, die es an diesem Morgen an den Ort zieht, der die kleinstädtische Bürokratie verschluckt hat. Wie Lemminge pilgern die Menschen an den Rand, der einen Blick in verschluckendes Schwarz gewährt, springen nicht, starren nur. Das rotweiße Absperrband flattert im Wind, der den Geruch von Kaffee in ihre Nase weht, welcher am Rand verkauft wird. Löcher kurbeln die Wirtschaft an, lukratives Loch ist eine Alliteration, denkt Marlene. Nicht nur das Rathaus ist verschwunden, auch nebenstehende Geschäfte und ein Stückchen Liegewiese des Stadtparks sind beschädigt. Das Schaufenster des Sportgeschäfts ist zerbrochen und das Glas knirscht unter Marlenes Sohlen als sie ins Innere steigt, sich zwei Badmintonschläger greift und einen davon vor ihr Gesicht hält. So ähnlich sehen wohl Fliegen die Welt, Kästchenblick.
Sie sortiert die Haare, blickt in die Trümmerlandschaft, öffnet den Reisverschluss ihres Mantels, im nicht zerstörten Teil des Stadtparks landen Tauben im Gras.
Der Typ sieht plemplem aus, Lust auf 'ne Partie Badminton? - Kinder und Laien sagen Federball. Spatzen hüpfen lustig um das Loch herum und picken Krümel auf. Kleine dicke Federbälle, denkt Marlene.
Hin und her fliegt der Ball, unter ihm nichts. Und einmal, als der Typ den Ball nicht richtig trifft, springt eine Katze dem fliegenden Kunststoff entgegen, schnappt ihn, fällt und verschwindet in der Tiefe. Katzen landen immer auf den Füßen, aber um landen zu können, muss man irgendwo auf- beziehungsweise ankommen. Marlene glaubt ehrlich gesagt nicht daran, dass das Loch einen Boden hat. Vielleicht führt es in ein anderes Land? Australien? Wunderland? China? John Malkovichs' Kopf?

Donnerstag, 6. Dezember 2007

...

Zelim ti sto, dachte Mladenka, und jemand, der von sich selber als Ich spricht, beobachtete sie, am Randstein stehend, und macht Notizen. Diese Notizen gelten bis auf weiteres für alles Weitere, das eine Person berichtete, die das Notizheft, ein schwarzes mit rotem Rand, unter einem Stein in der Nähe des Loches fand: Ein Ausschnitt klebe auf der Innenseite des Notizhefts und mit einem Kugelschreiber sei dieser Ausschnitt mit Quadraten verziert, mehrere verschiedener Größe zu mehreren übereinander gezeichnet, sagte er. Auf dem Ausschnitt jedenfalls, so er, stünde in Druckbuchstaben, Was die Erde einmal wieder gegeben hat, wird sie zum zweitenmal auch nicht behalten, JP Hebel“. Er hätte gleich daran gedacht, dass er selbst dieses Büchlein quasi unterirdisch gefunden habe, also unter einem Stein, dies, alles sogleich auf sich bezogen, und bei dem an den Satz anschließenden JP Hebel, sei ihm der Name HP Baxter eingefallen, denn er kenne keinen JP Hebel, von dem der Satz stammen könnte, gab sich also mit seinem Einfall HP Baxter zufrieden, und dachte an eine Textzeile, How much ist the fish? Zur gleichen Zeit, und das mag nun vielleicht verrückt klingen, aber das sei er schließlich, so er, habe er einen jungen Mann, eine Frau dabei beobachtet, wie sie mit Schlägern eine tote Taube von der Größe einer jungen Bachforelle über das Loch prügelten. Er habe nicht genau sehen können, da er nicht gut sehe, aber er sei empört gewesen einerseits, andererseits, dachte er, die Taube sei ohnehin tot, um so schöner, dass man sie dennoch durch den Himmel fliegen sehe, sie quasi so am Leben hielte. Er hätte daraufhin begonnen im Notizheft zu lesen, sei aber nicht weiter als bis zum ersten Wort gekommen, Fensterplätzchen, sei das Wort gewesen. Und weiter sei er erst einmal nicht gekommen, sagte er, weil
das Loch
er sah
und sei
wasservoll
die Stadt
ein Paradies

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Impressum:

Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

Adam Schiffers
friedrich2
Hans-Peter Braunscheid
MaLiNaSuNaSiMoN
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren