...

Das muss dir erstmal passieren, dachte Braunscheid später noch: Dass die dir den größten Gegenstand entwenden, den du kennst. Der dir auch irgendwie gehört, jeden Tag ein paar Stunden. Und dann kommen die mit ihren Knarren und fühlen sich verbots- und entsorgungsberechtigt. In einer behördlichen Befehlssprache, die es gar nicht mehr gibt in der echten Welt, so von wegen "Bürger Braunscheid, ihre Dokumente, sofort!" (woher wussten die seinen Namen?) Das hatte ihn geärgert, wirklich geärgert, wie unfreundlich die waren! Flaumbärtige Bundeswehrangehörige, denen die mehrjährige, freiwillige Verpflichtung als Flucht vor eigener Lebens- und Tagesplanung gerade recht kam, und die nun endlich mal was anderes als Kaserneputzen und Hubschrauberflugscheinprüfung erledigen durften. Und die ihm seinen Bus abknöpfen sollten, so von wegen "In Anbetracht der aktuellen Ereignisse halten wir es für notwendig". Konnten die aber vergessen. Konnten die mal so richtig vergessen. Waren die ersten Menschen, die vergessen konnten, dass Braunscheid immer tat, was von ihm verlangt wurde, um niemanden zu kränken. Braunscheid konnte auch "in Anbetracht der aktuellen Ereignisse" denken+handeln!
Also zack, Rückwärtsgang bis zum Waldrand, die Soldaten zu perplex zum Schießen (oder die Gewehre gar nicht geladen?), auf dem Feldweg gewendet und schnurstracks zum Rathaus, was sollte denn der Scheiß, er würde sich jetzt beschweren, so ging es ja nun nicht.

Aber als Braunscheid sah, dass der Marktplatz nur noch ein Loch war, mindestens so tief, wie das Rathaus früher mal hoch gewesen war, da dachte er: Jetzt spinnen sie alle, dann mach ich halt mit, mach ich halt auch mal das, was alle machen. Er wendete das Bushinterteil dem Loch zu, fuhr langsam an, fletschte die Zähne ins Nichts der glotzenden Menge und riss erst im letzten Moment die Fahrertür auf, um hinauszuspringen, und während er die Arme in die Luft hob, eine Siegerpose ohne Lächeln, versank der Bus hinter ihm geräuschlos im Loch.

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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