Mittwoch, 2. Januar 2008

MaLiNaSuNaSiMoN

16:00
Malina Suna Simon öffnete die Hirschragoutkonservendose mit doppeltem Boden und starrte entgeistert hinein: Jemand hatte ihr das Geld gestohlen! Sie hatte doch selber nichts ausgegeben. Für das bisschen Alkohol und Zigaretten konnte doch unmöglich das gesamte Arbeitslosengeld draufgegangen sein! Wie war das nur möglich? Sie hatte das Haus doch so gut wie nie verlassen! Wenn, nur für wenige Minuten und nie, ohne sich zu versichern, fünfmal abgesperrt zu haben.
Hatte sie es einmal geschafft, sich mental auf den Friseurbesuch vorzubereiten, rechtzeitig aufzustehen und ihre sieben Sachen zusammenzusuchen, war ihr Geld spurlos verschwunden!
Malina Suna Simon schloss alle Zimmertüren ab, zog ein paar Bücher aus dem Regal, verteilte sie kreuz und quer über den Flurboden, stellte die Leiter vor die Innenseite der Haustür und machte ein Foto der Anordnung ihrer Unordnung, um einen Beweis zu haben, falls der Jemand es erneut wagen sollte, einzubrechen.
Malina Suna Simon entschloss sich, alle wichtigen Unterlagen mitzunehmen, nur für den Fall der Fälle. Sie zog die Tür von außen zu, nicht ohne sich dreifach zu vergewissern, auch fünffach abgeschlossen zu haben.

Weltuntergangsstimmung

17:20

Kein Krötenkonzert, kein Kindergeschrei, kein Laut.
Absolute Stille. Beinahe idyllisch, friedlich, doch etwas an der Ruhe störte Malina Suna Simon.
Selbst die sonst so befahrene Hauptstraße war menschenleer, kein Auto weit und breit.
Malina Suna Simon stakste durch den Schnee und begann, sich zu wundern. Hatten die Menschen denn gar nichts zu tun? Ob sie einen Feiertag verpasst hatte?
Sie lief am Bäcker vorbei, am Friseursalon: Überall gähnende Schaufenster. Kein Bus in Sicht.
Plötzlich, an der Hildesheimer Straße, kurz vor der Innenstadt, sah Malina Suna Simon eine kleine Ansammlung Menschen um einen Bus gruppiert. Grade war Malina Suna Simons Weltbild wieder stimmig, wollte sie beruhigt vorbeilaufen, als sie ein scharfes "Halt! Wo wollen sie denn hin?" vernahm. Ehe sie, sprachlos vor Verwunderung, antworten konnte, fragte die Stimme auch schon: "Malina Suna Simon oder.....?" Die Stimme gehörte einem vor dem Bus aufgestellten, streng blickenden Mittfünfziger, der sie über den Rand seiner Brille anstarrte und ihr gewichtig eine Liste unter die Nase hielt. Malina Suna Simon glaubte zu halluzinieren, sagte perplex: "Malina Suna Simon" dachte, "Ich träume wohl grade!", da versetzte der Brillenträger ihr auch schon einen Stoß in Busrichtung, tippte zufrieden auf seine Liste, machte einen Haken hinter ihren Namen und schrie: "Na, worauf warten sie denn noch, einsteigen! Wir bringen sie in Sicherheit!"

...

„Hmm“, sagen die Außerirdischen, dann „Ohh“ und „Ahh“.

Irgendwann wacht sie einfach so wieder auf. Man untersucht natürlich alles: Kopf, Körper. Aber dann sagt der Arzt im selben Tonfall, in dem er „Die nehmen wir mit.“ gesagt hatte: „Die soll wieder gehen.“ So verlässt Pina eingerahmt zwischen ihren Eltern noch am gleichen Abend das Krankenhaus.

Eigentlich hätte dieser Abend blau sein müssen oder dunkelgrün. Hätte vielleicht nach Lebkuchen riechen sollen oder wenigstens wie Weintraube schmecken. Die Eltern hatten bereits ein paar Sachen zusammengepackt, auch Marvin und Leo sind mit, alle zusammen machen sich auf den Weg zur Sammelstelle Hildesheimer Straße. Es regnet, die Menschen sind angespannt, die Luft hätte also lila-blau sein müssen, unregelmäßig kantig – ist sie aber nicht. Einfach nichts mehr, keine Farben, keine Gerüche, keine Formen. Und als Pina sich dessen bewusst wird, schreit sie so, dass die Menschen, die an der Sammelstelle dicht gedrängt stehen, erschrocken zusammenfahren: „Die Farben sind weg, ich will die Farben zurück, nichts riecht mehr!“ Und die Mutter will ihr die Hand über den Mund legen, sagt: „Beruhige dich doch!“, aber Pina kann sich nicht beruhigen, schreit weiter und weiter: „Meine Farben, meine Farben, die Außerirdischen haben meine Farben!“ Erst als sich Marvin und Leo einmischen und Pina bitten ihnen doch alles zu erklären, verstummt Pina, ihr Gesicht ganz rot vor Anstrengung, die Augen erschrocken und im Kopf nur dieser eine Gedanke, der hin und her geistert und wieder her und hin: „Die Außerirdischen haben meine Farben“, denkt sie wieder und wieder, „sie haben einfach meine Farben geklaut.“

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

Archiv

Januar 2008
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 3 
 4 
 5 
 6 
10
17
21
25
27
28
29
30
31
 
 
 
 

Impressum:

Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

Adam Schiffers
friedrich2
Hans-Peter Braunscheid
MaLiNaSuNaSiMoN
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren