Dienstag, 8. Januar 2008

Eine kleine Reise

Plötzlich wirkt das Loch kalt und dunkel, nichts wartet da unten, gar nichts. Schwachsinnsidee! Als ob sie nicht längst wüsste. Also Koffer packen, irgendwas mitnehmen, nicht darüber nachdenken, alles gleich unwichtig. Den Porzellanfuchs in der Hand halten, Postkarten aus Paris, Wien, Barcelona, ein Fotoalbum, Franck nutellaverschmiert, heulend in der Badewanne, Franck in ihren Armen. Jeder einzelne Gegenstand, der an ein Leben erinnert, an eine Vergangenheit.
Das ist die letzte Möglichkeit von diesem Ort zu verschwinden. Wie es wäre ihn einfach hier zu lassen, sich aus dem Staub machen, ein Stück Vergangenheit ausradieren.
„Na los“, ruft Viola, „wir müssen uns beeilen oder willst du in dieser Stadt verrecken?“ Franck tut alles wie in Zeitlupe, er kann sich nicht entscheiden, packt ein, dann wieder aus, betrachtet die Wohnung eindringlich, als würde er sie in seinem Kopf mitnehmen können, um sie später wieder auszupacken. „Franck, so geht das nicht!“

Wenige Stunden noch, dann ist dieser Ort Vergangenheit.

„Was passiert mit den Alten?“, fragt sie sich, „mit den Kranken, mit denen, die sich weigern zu gehen?“ Es bleibt wenig Zeit. Viola gießt ein letztes Mal ihre weiße Orchidee. Nun kann die Reise beginnen.

Langsam raschelt etwas die Straße entlang, die Stille einer verlassenen Stadt. Sich fragen wohin und wieso und wie weit noch. Sich fühlen wie man sich als Kind gefühlt hat, sich fühlen wie vor einem Schulausflug.
Aufstehen Viola!
Langsam raschelt etwas die Straße entlang, unter der Stadt rauscht der Strom der Zerstörung, über den Wolken wartet etwas, das herunterstürzen will.
Laufen Franck, schneller, nicht stehenbleiben, nicht immer stocken und schauen und lauschen und bücken und riechen, nicht der Katze hinterherjagen, die schafft das schon.

Viola reißt an seinem dünnen Kinderarm, schüttelt ihn, ruft etwas, brüllt, verteilt ihre Worte in einer stumm gewordenen Stadt. „Du bist zu langsam! Du bist nicht schnell genug! Du bist nie das, was ich von dir erwarte! Du bist eine Null, ein Nichts!“

Gerade noch rechtzeitig erreichen sie die Sammelstelle Hildesheimer Straße.

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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Impressum:

Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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