Mittwoch, 9. Januar 2008

Ein Held geht seinen Weg

Braunscheid hatte das Jubeln der dörflichen Menge noch immer in den Ohren und überhörte so die Stille unter den Wartenden. Vor vier Tagen hatte er den Bus versenkt, eine Heldentat ohnegleichen, ein entscheidendes Signal zum Aufbruch: Zwei Tage später die Aufrufe in der Zeitung, die vagen Graffitis in der Stadt: HAUT AB, SOLANGE IHR NOCH KÖNNT! Braunscheid hatte gelacht, weil er erst beim dritten Lesen dahintergekommen war, dass das erste Wort kein Substantiv sein sollte.
Am frühen Abend dann ein letzter Salat mit allen kompatiblen Zutaten, die die Speisekammer hergab, zum letzten Mal in der Küche für Werweißwielang. Im Flur ein Koffer, kaum größer als DIN A3: Wenn schon Flucht, dann richtig. Eine Ersatzhose, die Regenjacke, fünf Schokoriegel, der Pass, der Organspenderausweis. Keine letzten Telefonate, das Netz war völlig überlaufen abgestürzt, also einen Zettel auf den Küchentisch: Keine Angst & keine Diebstähle: Ich komme wieder! Euer/Ihr Hans-Peter Braunscheid.
Dann im Fastdunkeln zur Hildesheimer Straße, das unbeleuchtete Grüppchen, die Geräusche sich nähernder Rollkoffer. Hinter ihm wimmerte ein Mädchen: "Gebt mir meine Farben zurück!" Er drehte sich um, um es zwischen den Gesichtern zu suchen, als ihm ein älterer Mann mit Brille auf die Schulter haute: "Mensch, sind Sie nicht der, der den Bus ins Loch gefahren hat? Gut, dass Sie da sind. Sie müssen uns unbedingt helfen! Sie sind doch Busfahrer? Wir brauchen hier noch einen, der Kollege ist - naja - kurzfristig ausgefallen ... wobei 'fallen' in dem Zusammenhang vielleicht ein etwas makabrer Ausdruck ist ... ist 'ne tragische Geschichte ... also: Übernehmen Sie das?"
Braunscheid hatte das Jubeln der dörflichen Menge noch immer in den Ohren.

Adam

"Darum mach dich auf und durchzieh das Land in die Länge und Breite, denn dir will ich’s geben."

1. Mose, 13, 17

Adam ging die Straße alleine. Sie waren alle in Sicherheit. Sie würden alle wiederkommen, wenn sich die Lage beruhigt hatte. Doch Adam wollte mit dem Bus fahren, so wie sie es ihm gesagt hatten. Alle kommen raus haben sie gesagt, irgendwas war nicht gut. Abends, die Straßen waren dunkel und leer, aber hier und da sah Adam jemanden mit einem Koffer oder einer Tasche rennen. Er war auch schon spät dran. Sachen packen, das Nötigste. Verabschieden musste er sich, alle finden, sie streicheln, lange. Dann alles gut vernagelt. Mit langen dicken Brettern. Er wusste ja nicht, wann er wiederkommen würde. Sein Schuppen musste sicher sein. An der Haltestation standen schon einige Menschen. Manche hatte er schon gesehen, irgendwann mal. Doch es war nicht so hell, zu viele Gesichter, graue Jacken und Hosen, schwarze Mäntel, Kinder an Händen, mit rotgrauen, gelbgrauen Jäckchen, Mäntelchen. Er hatte etwas vergessen, dachte er sich, irgendwas stimmt doch nicht. Die Hand ging in den Rucksack und sie wurde von Weich umschlossen, schönes Weich. Er war beruhigt. Davon konnte er sich nicht trennen. Nichts jetzt.

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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Impressum:

Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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