Dienstag, 4. Dezember 2007

MaLiNaSuNaSiMoN

Briefumschlag
14:05
Malina Suna Simon saß auf ihrem Perserteppich, starrte den Unterlagensalat überall ringsum auf den Holzdielen an und wollte in einem Mauseloch versinken. Wo, wie und mit was fing man an, sich einen Status oder eine Existenz zu erarbeiten? War das Leben zwangsläufig mehr Bürokratie, Arbeit an Lebensgestaltung und Überlebensverwaltung als Leben selbst?
Malina Suna Simon stand auf, stellte sich auf die Zehenspitzen vor ihr Fensterbrett und sah hinaus: Erster Schnee, Kinderlachen, ein jugendliches Liebespaar auf einem blauen Müllbeutel das den Hügel im Nachbarsgarten hinunterkugelte, rote Gesichter, glückliche Blicke, neckisches Herumalbern.
Malina Suna Simon wurde schwindlig. Alle anderen schienen einen Platz zu haben, zu wissen, was sie taten, was sie wollten, wer sie waren, konnten lachen, einfach frei heraus, unbeschwehrt, ohne Grund.
Nur sie, Malina Suna Simon war stets deplaziert wo sie auch war, wusste nicht wohin mit ihrer kleinen Existenz. Sie starrte erneut auf die Unterlagen auf dem Boden: Das war es, ihr Leben, ein einziger Papiermüll. Nichts woran sie sich festhalten konnte, nichts was ihr zeigte, das sie einmal ein Leben, einen Platz gehabt hatte, außer einem Stapel verdammtem Papier.
Malina Suna Simon setzte sich erneut auf den Fußboden und begann zu schluchzen, so entmenschlicht klingend zu schluchzen, dass sie selbst über das Geräusch erschrak und verstummte.Kontakt zwischen Körper und Geist getrennt.
Sie stolperte in ihre amerikanische Wohnküche, stieß sich dabei den Kopf an der Flurlampe, fluchte laut vor sich hin, öffnete ihre in einem Globus versteckte Minibar und legte sich auf die Küchendielen. Auf dem Bauch liegend, den Kopf in die Handflächen gestützt, die Decke im Visier, nahm sie hastige, große Schlücke aus einer Flasche billigen Pina Coladas.
Mit Leeren nur Leere, keine Leichtigkeit, keine Lebendigkeit, kein Lebensdurst.
Malina Suna Simon schritt zum Äußersten: Sie angelte nach dem im Backofen verborgenen Kästchen für schlechte Zeiten und zog ein Bündel Briefe heraus. Schon bei Betrachten der Handschrift auf den Umschlägen wurde ihr schwindelig.
Vergangenes rauschte an ihr vorbei wie ein Film, der mit ihrem Leben nichts weiter zu tun hatte: Sie sah eine Malina Suna Simon Protagonistin die Briefe aus dem Briefkasten holen, glücksüberströmt, nervös, sie freudig, hastig öffnen, ohne Grund lachen, frei heraus. Sie sah die Protagonistin mit dem Verfasser der Briefe. Von außen: Zwei lachende Gestalten die eins wirkten.
Die Protagonistin von innen: Eins mit der Welt.
War sie noch dieselbe von damals? Während sie versuchte darüber nachzudenken wurde sie so müde, dass sie beschloss, einfach wieder schlafen zu gehen.
Am nächsten Tag, so dachte Malina Suna Simon während sie eine Schlafmaske aufsetzte, um nicht vom Tageslicht geblendet zu werden, würde sie sich ganz neu definieren und erfolgreich werden. Einfach bei der Oberfläche anfangen, zum Friseur gehen und sich mit ihren Haaren auch der Protagonistin und dem Verfasser entledigen.



12:00

Malina Suna Simon starrte entgeistert abwechselnd von ihrem Wecker auf ihre Armbanduhr und von ihrer Armbanduhr auf ihren Wecker. Sie hatte nicht ernsthaft an die 18 Stunden geschlafen.
Noch schlaftrunken zündete sie eine erste Zigarette an und betrachtete rauchend ihr Gesicht im Spiegel neben dem Bett: Schwarzer Strubbelkopf, verschmiertes Make-up vom Vortag.
Gerne hätte sie sich wieder die Decke über den Kopf gezogen und aufgegeben. Alleine zum Friseur zu gehen schien ihre eine unzumutbare Herausforderung.
Draußen auf der Straße, so sah sie aus ihrem Fenster, Weltuntergangsstimmung, ein Massenauflauf. Bedrückte, entsetzte Gesichter. Aneinandergeklammerte Winterwollpakete. „Einmal eins mit der Welt!“

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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Impressum:

Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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