FREAKSHOW
Friedrich berührt den Metallrahmen des Zeitungsständers, der gibt mit einer leichten Drehung nach. Er zieht die Hand zurück.
Ein Kiosk. Friedrich hat Hunger. Eigentlich zum ersten Mal, denn in der Psychiatrie war Hunger anders. Kein zwingendes Problem, nie dieser Schmerz. Friedrich findet, wie ein Loch im Bauch fühlt er sich an, Hunger. Er sieht sich unschlüssig um.
Menschen stehen auf dem Gehsteig. Warten. Dann bleiben Autos stehen – das Motorengeräusch wird ruhiger, und Menschen gehen gleichzeitig über die Straße. Dazu die roten und grünen Lichter. Ein Spiel.
Kann ich Ihnen weiterhelfen?
Friedrich dreht sich um. Eine Frau blickt ihm durch das quadratische Verkaufsfenster entgegen – einen Moment weiten sich ihre Augen, dann senkt sie den Blick.
Friedrich geht zögerlich näher. Die Frau hat ein rundes Gesicht und kurze graue Haare; ihre Finger drehen unablässig einen Kugelschreiber. Friedrich sieht Preisschilder und mit einem Mal sind Striche, Striche und Striche; rotleuchtende Striche überall.
Also, suchen Sie etwas bestimmtes?
Suchen? – Striche, genau eintausenddreihundertundzwölf Striche, und Friedrich lässt den Kopf sinken. Er denkt an das Brummen in der weißen Röhre.
Nein – Suchen? – Ich wollte – fragen: Essen? – Krieg ich hier etwas zu – Essen?
Klar! Alles mögliche... Sie sehen’s ja selbst. Also, ich hab zum Beispiel grad frische Brötchen...
Brötchen – sind lecker. Ich will drei – Brötchen.
Okay, drei Brötchen. Die Frau legt den Kugelschreiber beiseite, greift hinter sich und steckt drei Brötchen in eine Papiertüte. Sie lächelt, doch Friedrich starrt noch immer auf den Asphalt. Seine Kopfhaut durchzogen von einer tiefen Narbe. Ein kahler Streifen, wie ein viel zu breiter Scheitel. Es dauert einen Moment, dann sagt die Frau: Das macht dann einen Euro fünf.
Was – einen – was?
Die Frau sagt betont deutlich: Einen Euro und fünf Cent. Wenn Sie kein Geld haben, dann kann ich Ihnen leider auch nichts geben. Ich meine, wenn ich hier jedem der bettelt... Das geht nicht.
Was? – Ich weiß nicht – aber ich hab doch – Hunger!
Friedrich beginnt leise zu weinen, mit hängendem Kopf, bewegungslos.
Jetzt hören Sie auf. Und gehen Sie bitte! Sie müssen das...
Friedrich bleibt stehen: Aber ich hab doch – Hunger...
Gut, schon in Ordnung. Dann nehmen Sie eben die Brötchen, aber verschwinden Sie jetzt! Vertreiben ja die Kundschaft...
Friedrich hebt den Kopf. Seine Augen noch nass, glänzen: Danke sehr – Frau...
Bitte sehr!
Danke sehr – Frau... Wie heißt du – Frau? – Dann sag ich’s richtig – Danke sehr Frau...
Engelot.
Danke – sehr Frau – Engel – lot. Friedrich ist zufrieden und will die Brötchentüte nehmen. Frau Engelot seufzt und schüttelt den Kopf. Dann greift sie hinter sich und legt noch ein Fünfer-Pack Bifi auf den Tresen. – Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst.
Friedrich versteht sie wieder nicht, aber er geht.
Ein Kiosk. Friedrich hat Hunger. Eigentlich zum ersten Mal, denn in der Psychiatrie war Hunger anders. Kein zwingendes Problem, nie dieser Schmerz. Friedrich findet, wie ein Loch im Bauch fühlt er sich an, Hunger. Er sieht sich unschlüssig um.
Menschen stehen auf dem Gehsteig. Warten. Dann bleiben Autos stehen – das Motorengeräusch wird ruhiger, und Menschen gehen gleichzeitig über die Straße. Dazu die roten und grünen Lichter. Ein Spiel.
Kann ich Ihnen weiterhelfen?
Friedrich dreht sich um. Eine Frau blickt ihm durch das quadratische Verkaufsfenster entgegen – einen Moment weiten sich ihre Augen, dann senkt sie den Blick.
Friedrich geht zögerlich näher. Die Frau hat ein rundes Gesicht und kurze graue Haare; ihre Finger drehen unablässig einen Kugelschreiber. Friedrich sieht Preisschilder und mit einem Mal sind Striche, Striche und Striche; rotleuchtende Striche überall.
Also, suchen Sie etwas bestimmtes?
Suchen? – Striche, genau eintausenddreihundertundzwölf Striche, und Friedrich lässt den Kopf sinken. Er denkt an das Brummen in der weißen Röhre.
Nein – Suchen? – Ich wollte – fragen: Essen? – Krieg ich hier etwas zu – Essen?
Klar! Alles mögliche... Sie sehen’s ja selbst. Also, ich hab zum Beispiel grad frische Brötchen...
Brötchen – sind lecker. Ich will drei – Brötchen.
Okay, drei Brötchen. Die Frau legt den Kugelschreiber beiseite, greift hinter sich und steckt drei Brötchen in eine Papiertüte. Sie lächelt, doch Friedrich starrt noch immer auf den Asphalt. Seine Kopfhaut durchzogen von einer tiefen Narbe. Ein kahler Streifen, wie ein viel zu breiter Scheitel. Es dauert einen Moment, dann sagt die Frau: Das macht dann einen Euro fünf.
Was – einen – was?
Die Frau sagt betont deutlich: Einen Euro und fünf Cent. Wenn Sie kein Geld haben, dann kann ich Ihnen leider auch nichts geben. Ich meine, wenn ich hier jedem der bettelt... Das geht nicht.
Was? – Ich weiß nicht – aber ich hab doch – Hunger!
Friedrich beginnt leise zu weinen, mit hängendem Kopf, bewegungslos.
Jetzt hören Sie auf. Und gehen Sie bitte! Sie müssen das...
Friedrich bleibt stehen: Aber ich hab doch – Hunger...
Gut, schon in Ordnung. Dann nehmen Sie eben die Brötchen, aber verschwinden Sie jetzt! Vertreiben ja die Kundschaft...
Friedrich hebt den Kopf. Seine Augen noch nass, glänzen: Danke sehr – Frau...
Bitte sehr!
Danke sehr – Frau... Wie heißt du – Frau? – Dann sag ich’s richtig – Danke sehr Frau...
Engelot.
Danke – sehr Frau – Engel – lot. Friedrich ist zufrieden und will die Brötchentüte nehmen. Frau Engelot seufzt und schüttelt den Kopf. Dann greift sie hinter sich und legt noch ein Fünfer-Pack Bifi auf den Tresen. – Und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst.
Friedrich versteht sie wieder nicht, aber er geht.
friedrich2 - 3. Dez, 19:27