Halbe Dinge
>Und als er dort ankam,< bemerkte er, dass es zu früh war. Zu früh für die Zeit, aber viel zu spät für ihn. Wie einen Ausgleich schaffen? , überlegte er und gab sich fortan nur noch die Hälfte der Zeit für alles. Die Hälfte der Zeit für sich und die anderen. Das ist so viel wie ein ganzes Universum. Ein ganzes Universum, in dem halbe Dinge platz haben. Und in einem halben Universum muss doch immerhin eine ganze Welt platz haben. Seine ganze Welt. Immerhin diese muss gewillt sein, hinein zu passen. Wie groß kann die Welt eines Hasen schon sein. Wie groß, als dass nicht eine Möhre, ein Stummelschwänzchen und ein paar große Hopser hinein passen würden. Nein, das müsste gehen, sagte er sich. Es wird funktionieren. Wie kann es sonst sein, dass hunderte Generationen Zauberer aus einem kleinen Hut an die zehn Kaninchen zauberten und diese danach problemlos wieder in selbigem verschwinden lassen konnten. Nein, das könnte nicht gehen, sagte er sich. Wenn eine Hasenwelt größer sei als die eines Hutes. Aber was passiert, wenn ich wachse? Und was tue ich, falls ich schrumpfe und viel zu klein für meine, für eine Welt bin? Haben Ameisen eine Welt? , fragte er sich. Dann wird er unterbrochen. Es werden Zahlen angesagt. Seine Zahlen. Die Zahlen, die alles verändern und alles so lassen wie es ist. Die Frau öffnet den Mund und es entspringt ihm eine 21, die ihn direkt ins Mark trifft. Ins Bein fährt ihm wenige Minuten später die 9, welche fast beiläufig den Weg ins Freie findet. Zwei Zahlen lassen ihn aufatmen, aber das ist nicht genug. Das ist noch nicht mal die Hälfte der Hälfte. Da sind zu viele andere Zahlen, die ihm einen Hieb in die Magengegend verspüren lassen. Zahlen bestehen eben doch nur aus Zufall, grübelt er. Dinge haben eine andere Bedeutung, Zufallsgesetze bestimmen den Alltag und eine undurchsichtige Logik durchdringt den Tagesablauf. Ein Blitz fährt in seine Gedanken: Es muss weiter gehen. Die Arbeit muss noch heute weiter gehen. Es muss schnell gehen, wenn ich zurück will. Ständige Rivalität der Zeit. Sich gegenseitig nicht mehr loslassen. Aneinander zerren. Wie an Puppen. An Menschen. >Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst.< Ein Mantra. Vielleicht seines. Er bekommt Hunger, an sich nichts gutes (Er hat den Hunger satt gehabt, als er sich an ihm überfressen hatte und kotzen musste.), aber das Brötchen ist im Zeitplan. Viertel vor acht. Schnell schlucken und um acht und zwar pünktlich geht es dann weiter. Morgens will der Tag nicht anspringen. Er stottert. Beim Anlaufen und manchmal versucht er es vergeblich. Er läuft dann einfach nicht. Du kannst nicht einfach das Fahrrad nehmen. Auf dem Tisch neben zweieinhalb Brötchenkrümeln eine Zeitung. Die Zeitung ist nicht mehr komplett, nein, es ist lediglich ein Drittel der ersten elf Seiten vorhanden. Keine Bilder. Keine Gespräche. Deshalb überlegt er, warum überhaupt Zeitungen ohne Bilder und mit Menschen, die sich nicht unterhalten, gemacht werden. Daraufhin wird er schläfrig. Er beginnt zu träumen. Träumt Sätze, Farben und Töne: >Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein, ungestört von Furcht, die Nacht entdecken.< Als er aufwacht, fällt ihm die Zeit ein und wie alles früher gewesen sein könnte. Als er verstehen musste, dass man in der Sommerhitze nicht bekleidet in den Fluss springen darf, weil die Kleider dann nass werden. Dass man nach dem Kirschenessen kein Wasser trinken darf, weil dann im Magen Kirschbäume wachsen, die seine Wand durchbohren und nachts aus der Speiseröhre ragen. Dass man seinen Teller immer leer essen muss, weil man sonst verantwortlich für das schlechte Wetter ist. Dass man kein Eis im Winter essen darf, dass man auch Dinge essen muss, die man nicht mag. Dass man sich vor dem Schwimmen gehen nicht den Magen voll schlägt, weil man dann ertrinkt. Alles und nichts begreifen. Keine Einstellung und Meinung zu nichts und niemandem haben. Noch weniger eine gesellschaftliche Rolle einnehmen. Ohne sie zu spielen. Keine Schuhgröße haben. Entweder ein drückender Schuh oder einer, der beim Laufen verloren geht. Uneindeutigkeit.
der wird im Mondschein, ungestört von Furcht, die Nacht entdecken.< Als er aufwacht, fällt ihm die Zeit ein und wie alles früher gewesen sein könnte. Als er verstehen musste, dass man in der Sommerhitze nicht bekleidet in den Fluss springen darf, weil die Kleider dann nass werden. Dass man nach dem Kirschenessen kein Wasser trinken darf, weil dann im Magen Kirschbäume wachsen, die seine Wand durchbohren und nachts aus der Speiseröhre ragen. Dass man seinen Teller immer leer essen muss, weil man sonst verantwortlich für das schlechte Wetter ist. Dass man kein Eis im Winter essen darf, dass man auch Dinge essen muss, die man nicht mag. Dass man sich vor dem Schwimmen gehen nicht den Magen voll schlägt, weil man dann ertrinkt. Alles und nichts begreifen. Keine Einstellung und Meinung zu nichts und niemandem haben. Noch weniger eine gesellschaftliche Rolle einnehmen. Ohne sie zu spielen. Keine Schuhgröße haben. Entweder ein drückender Schuh oder einer, der beim Laufen verloren geht. Uneindeutigkeit.
tHe _wHitE raBbiT_ - 4. Nov, 17:07