MaLiNaSuNaSiMoN

04:47
So sehr sich Malina Suna Simon auch bemühte, konnte sie das Bild ihres Großvaters nicht von ihrem inneren Auge verscheuchen. Um genauer zu sein, das recht lebhafte Bild seiner Glatze, an der sie als Kind so gerne gerochen hatte. Die Erinnerung an diese sie rührende Kopfhaut mit Runzeln, fast gleich der eines Neugeborenen, war in ihr noch so lebendig, unmittelbar vor ihr, neben ihr, als sei ihre letzte Begegnung erst gestern gewesen. Die Glatze war von ganz eigenartigem, undefinierbaren Geruch, hatte etwas von Babypuder, vielleicht auch von Plastik, der Art frischem Plastik, nach der Puppenköpfe riechen, wenn sie frisch aus der Fabrik kommen.
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“ hatte ihr Großvater immer gesagt. Noch auf seinem Sterbebett hatte er es gesagt, hatte es immer zu ihr gesagt, wenn sie als kleines Mädchen den Tränen nahe zu ihm gekommen war, um sich im wohligen Geruch der von ihr heißgeliebten Glatze zu vergraben, immer wenn ihre sächsischen Großonkel da waren, die sich nicht entblödeten, die Katze am Schwanz zu halten und über den feierlich gedeckten Tisch baumeln zu lassen.

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05:30
Malina Suna Simon schlug langsam ihre Augen auf, tastete sich im Dunklen nach ihrem Radiowecker vor, stieß sich dabei den Kopf am Nachttisch und verschüttete den Rest Vodka der am Abend offen stehen gelassenen Flasche über ihren Perserteppich. Fluchend kam sie zu sich, zurück ins Hier und Jetzt. Ihr Kopf war noch schwer von der durchzechten Nacht, langsam kamen ihr wieder die Bilder des Vortages in den Sinn. Augenblicklich wollte sie in das Reich des Schlafes zurückkehren, sich in der Glatze ihres Großvaters vergraben, verbergen, einfach wieder Kind sein dürfen.
Ihr Blick fiel auf „ Also sprach Zarathustra“, ihre Bibel, die nunmehr vodkadurchtränkt auf dem Teppichboden lag. Mühevoll trennte sie zwei durchnässte, klebende Seiten voneinander und las: "Zu meinem Ziele will ich, ich gehe meinen Gang; über die Zögernden und Saumseligen werde ich hinwegspringen. Also sei mein Gang ihr Untergang."

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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November 2007
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Impressum:

Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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