...

Wie immer war es eine Tortur gewesen: Bis sich Hans-Peter Braunscheid entschieden hatte, was er an diesem Tag hauptgerichtlich zu sich nehmen sollte, vergingen etwa dreißig Minuten. Nudeln, Reis und Kartoffeln lagen nebeneinander im mittleren Fach seines Vorratsschranks und warfen ihm herausfordernde Blicke zu. Sobald Hans-Peter einem von ihnen seine gesonderte Aufmerksamkeit schenkte, fühlten sich die anderen ungerecht behandelt und er wollte keinen von ihnen verärgern oder gar benachteiligen, er mochte sie ja alle drei, doch auch seinem Magen gegenüber galt es, Höflichkeit zu bewahren, und so versprach er schließlich den Nudeln und Kartoffeln hoch und heilig, sich ihrer am folgenden Tag zu bedienen, griff zur Reispackung und schloss schnell die Schranktür, um Vorwurf und Trauer in den Augen der Zurückgebliebenen nicht mit ansehen zu müssen.
Während er aß - weil Mittwoch war, saß er dabei auf dem Stuhl, der an der Stirnseite des Tisches stand - dachte er an seine Füße und die Nacht.
Vor einigen Wochen hatte er versucht, die ungewöhnlich dicke Hornhaut an seinen Fersen zu entfernen, weil seine Haut an jeder Stelle seines Körpers gleich aussehen sollte, doch die hatte sich gerächt: Beim Nachwachsen des Hornbelags waren tiefe Risse entstanden, und beim erneuten Entfernen blutige Risse, es tat höllisch weh, aber zu einem Arzt wollte er auf keinen Fall gehen, denn er hielt sein Problem gemessen am knappen Zeitkontingent eines Arztes für zu unbedeutend - und abgesehen davon war er schließlich zum Einen ein Mann und zum Anderen selbst schuld.
Auf Zehenspitzen brachte Hans-Peter seinen leeren Teller zur Spüle und wusch ihn augenblicklich ab. Er schaltete das Radio an, drehte nervös von Sender zu Sender, weil er jede Musik gleich schön fand, und war erleichtert, als die Sechs-Uhr-Nachrichten ihm das erlösende Zeichen zum Aufbruch gaben. Vorsichtig zog er sich seine an den Fersen mit Schaumstoff ausgepolsterten Schuhe an (es tat trotzdem weh), und verließ seine Wohnung, um zum Nachtschichtbeginn pünktlich im Betriebshof zu sein.

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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November 2007
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Impressum:

Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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