Adam

"Und Abimelch sprach weiter zu Abraham: Wie bist du dazu gekommen, daß du solches getan hast? Abraham sprach: Ich dachte, gewiß ist keine Gottesfurcht an diesem Ort, ..." 1. Mose, 20, 10 u. 11

Morgen wäre es einmal wieder vorbei. Diese Welt, diese isolierte, diese nach warmen Zucker, nach vergossenen Bier, Erbrochenem, nach vollgepissten Büschen duftende Woche eines Festplatzes. Kinder mit vielfarbenden Plastik in der einen, ihre Eltern an der anderen Hand. Gelächter fremder Menschen, fremder Witze. Lichter der Schaubuden, die, so oft gesehen, die verschiedensten Menschen, alle im gleichen Schein erfassen. Zurück nachhause. Was im Prinzip nur eine andere Konstellation der Wohnwagen bedeutet, nur kein warmer Zucker, nur kein vergossenes Bier. Der Discofoxbeat des Zeltes leitete den letzten Abend ein, die letzte dröhnende Nacht, in der Adam versuchte zu schlafen und es nicht gelang. Das Starren an seine kleine farblose Gardine, die Farben der Lichtmaschine aus dem Zelt eingefangen und nun ständig rot, gelb, grün flackernd, machte Adam nicht müde. Es war ihm so bekannt, es nervte nicht, doch Einschlafen ging dennoch nicht. Vielleicht noch einmal anziehen, rausgehen, versuchen auszusehen als würde man nicht auf der anderen Seite sein als würde man nicht nicht dorthin gehören. Einmal an den Wohnwagen seiner Familie vorbeigehen, in manchen brannte noch Licht, in manchen nicht. Die geschlossenen Büdchen sahen unbekannt aus, das Kettenkarussell, die Ketten wogen sich nur leicht im Wind, stand unbeachtet da, auf seinen blechernden Stufen einige zu alte Kinder, rauchend, trinkend, tratschend. Hinter dem Autoscooter, die schwarze dicke Plane im Rücken, war es fast still. Die Musik wurde hier dumpf, die Menschen nicht zu hören. Adam schaute raus, zwischen den Bäumen entlang, auf den weiten Acker. Dunkle, verschluckte Stille. Doch Adam war wachsam. Er sah etwas aufblitzen, nicht dazugehören, im Augenwinkel verschwinden. Er reagierte, sprang in den kleinen Grabenlauf der vor ihm lag und rannte, schwarze Tannen, Äste, Nadeln peitschten an Hals, Wange, Stirn. Dann versteinernde er. Es rieselte zwischen Hemd und Haut. Es juckte, doch er blieb still. Nichts fokussierend, alles schwarz, verschluckend, nahm er alles wahr. Ein Standbild vor seinen Augen. Wo war der Fehler? Was gehorchte nicht? Es blitzte erneut. Eine winzige, erhellte Projektion auf seiner Netzhaut, zurechtgedreht, erkannt und abgesprungen. Knisternd, zerberstend, landete er im toten Geäst und griff danach, nach dem Blitz.
Er war weich, der Blitz, er war kein Blitz. Klein und hell und weich, so weich, wie schon lange nichts mehr. Adam schaute auf, doch es war weg. Nur noch das Dunkel war da, das verschluckende. Keine Bewegung, kein Licht. Kein heller, weicher Blitz.

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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November 2007
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Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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