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Sir Pepe Kowalski wunderte sich sehr, wie lernfähig er doch war, wenn er denn lernen musste. So fiel ihm das Laufen auf vier Pfoten und das gleichzeitige Austarieren seines Gleichgewichtes mithilfe seines Schwanzes recht leicht, als er - an den in seine Wohnung eingebrochenen Männern vorbei - nach draußen auf die Straße lief.
Kowalski war schon zu Menschzeiten nie barfuß in der Stadt umhergelaufen, warum hätte er das auch tun sollen. Wenn Katzen nicht sowieso schon auf ihren Zehen laufen würden, so hätte Kowalski dies bestimmt von selbst getan, als er das erste Mal den kalten Asphalt unter seinen Pfoten spürte. Er überlegte, wohin er gehen konnte. Freunde hatte er keine. Nicht, dass er sich je um welche bemüht hätte, aber in misslichen Situation wie der seinen wären ihm Freunde, zumindest ein paar wenige, schon recht gewesen. Im Gehen listete er in seinem Kopf all die Namen seiner Exliebschaften auf, was ihm nicht all zu leicht viel. Es waren nicht gerade wenige gewesen in den letzten Jahren und Sir Pepe Kowalski hatte kein sonderlich gutes Gedächtnis, er merkte sich meist nur seine eigenen Geschichten, doch selbst vergaß er dann und wann einmal. Er versuchte sich zu erinnern, welche seiner weiblichen Bekanntschaften ihn verlassen hatte, ohne das er sich hatte etwas zu Schulden kommen lassen. Dieses Merkmal reduzierte die Anzahl der Namen erheblich.
Er ging um einen Häuserblock und blieb beim Anblick einer aggressiven, giftgelben Fassade auf der anderen Straßenseite unwillkürlich stehen. Dieses Gelb erinnerte ihn an irgendwas. Doch sobald Kowalski anfing, in seinem Gedächtnis danach zu suchen, bekam er ein Lied nicht mehr aus dem Kopf und musste gegen seinen Willen innerlich mitsingen, auch wenn ihm Teile des Textes immer wieder fehlten.
Dein Haar glänzt wie ein Sternenzelt, dein Mund ist die Versuchung selbst, aha.
Dein Teint ist wie aus einem Magazin, wie Blumen duftet jedes Wort, das über deine Lippen kommt, aha, begehrt er dich, so kann ich das verstehen.

Dass sich Sir Pepe Kowalski zu Menschzeiten die Namen seiner aktuellen und dann meist ziemlich schnell wieder verflossenen Liebschaften anhand von Schlagersongtexten gemerkt hatte, daran erinnerte er sich in diesem Moment nicht.
Nicht weit entfernt von dem Haus mit der giftgelben Fassade gab es einen Supermarkt, Kowalski erinnerte sich, dort des Öfteren eingekauft zu haben. Er blieb stehen und konnte durch die gläsernen Türen eine ihm sonderbar erscheinende Szenerie erblicken, eine Frau mit in Falten gezogener Stirn, die einer lächelnden anderen Frau eine Zahnpastatube entgegenhielt, dahinter, ein verstört dreinblickendes, wütendes kleines Mädchen und nun die Frau mit der Zahnpasta, wie sie die andere Frau – scheinbar aus dem Nichts – anschreit, sich umdreht, den Laden durch die Glastür verlässt, ohne Hinzuschauen direkt auf Sir Pepe Kowalski zukommt, fast über ihn stolpert, und ihm mit spitzen Stiefel ihm einen kräftigen Tritt verpasst, genau in die Lendengegend. Die darauffolgenden Beschimpfungen verstand er nicht mehr, kurz wurde ihm schwindelig, er hätte gern geschrieen, wenn er es doch gekonnt hätte, doch das schrille Kreischen eines leidenden Katers schien ihm fehl am Platz. Also versuchte er sich zusammen zu reißen, was ihm nur Rahmen seiner sehr beschränkten Leidensfähigkeit gelang, denn Sir Pepe Kowalski war schon zu Menschzeiten eine Lusche gewesen.
Er schleppte sich durch die Stadt, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Nach einer Weile erreichte er einen Park und legte sich an das Ufer eines Baches. Ihm gegenüber, zwei Mädchen, rauchend, spuckend. Eine der Beiden kam ihm seltsam bekannt vor und sobald er in ihr - doch recht hübsches – Gesicht blickte, kam ihm wieder unwillkürlich dieses Lied in den Kopf.
Ich seh dich an und weiß, daß ich
mit dir mich nicht vergleichen kann, aha.
Ich bin nicht so, bin nicht wie du.
Ein Teil von ihm gehört schon dir,
doch ehe ich ihn ganz verlier', aha,
bitte hör mich an.

Noch eh sich Sir Pepe Kowalski darüber wundern konnte, dass ihm alle möglichen Textzeilen dieses Liedes in den Sinn kamen, nicht jedoch der Refrain, spuckte eines der Mädchen über den Bach hinüber und traf ihm am Ohr. Pepe sprang verärgert auf und lief – es war inzwischen dunkel geworden – in Richtung eines Jahrmarktes. Am Rand standen die Wohnwagen der Schausteller, aus einem besonders abgewrackten schien Licht. Pepe merkte, dass er doch so langsam Hunger bekam und ging die kleine Aluminiumtreppe zur Tür hinauf, als ihn ein Mann auf der Treppe aufhielt. Hielt Sir Pepe seinen stinkenden Finger hin, das roch Pepe schon auf einen halben Meter Entfernung, er wich zurück. „Egal, wie sonderbar du bist, der Bruder meines Ururgroßvaters hätte dich verspeist. Er war eine Attraktion. Ein Geck. Er hätte sich nicht die Mühe gemacht dich erst umzubringen oder dir das Fell abzuziehen. Er hätte dich verschlungen wie du bist. Aber keine Angst. Ich mache so etwas nicht. So ein schönes Fell. Das ist doch viel zu schön, um es zu essen. Mir würde etwas Anderes einfallen, das ich damit machen könnte.“
Obwohl Sir Pepes zwischenmenschliche Gespür nie besonders ausgeprägt war, spürte er doch, dass er in Gefahr war.
Als Sir Pepe Kowalski den Rummelplatz verließ, ahnte er noch nichts von dem Loch, das sich in der Nacht auftun würde.

Was hier passiert:

Anfang. Ende. ist ein virtuelles Romanprojekt des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus: dreizehn Personen, eine Katze, ein Hase und eine fremde Macht. Die Zeichen stehen auf Sturm. In Tagen wird es vorüber sein.

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Aline Kappich, Azar Mortazavi, Clara Ehrenwerth, Eva-Lena Lörzer, Fabian Hischmann, Florian Balle, Hieu Hoang Duc, Janna Schielke, Julia Schulz, Max Balzer, Phillip Hartwig, Sebastian Albrecht, Sebastian Polmans, Susanne Kruse. Moderiert von Jule D. Körber und Lino Wirag.

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