Franck hat gewartet, hat sie sehnsüchtig herbei gewünscht. Viola kennt den Blick, der ihr das erzählt. Für einen winzigen Augenblick denkt sie an ihr hoffendes Kind, das falsche Vermutungen anstellt und sie hinter jeder Minutenzeigerumrundung zu hören glaubt, ihre Schritte im Treppenhaus und ihre Stimme , die von der Straße zu ihm herauf geschwemmt wird und immer wieder Viola, die knackt, schnipst, pfeift, zwitschert.Was sagt man als Mutter zu seinem Kind, denkt Viola, doch bevor sie sich etwas Passendes zurechtlegen konnte fängt er an zu sprechen.
"Aliens haben das Rathaus verschluckt", sagt Franck und Viola denkt warum nicht. Solln sie doch. Kann sein, denkt sie, heute ist nicht der Tag , an dem man die Existenz solcher Wesen verneinen würde, schon möglich, warum auch nicht.
Viola Knaack - 25. Nov, 18:56
Ein grelles Blitzen vor den geschlossenen Lidern, ein noch nie gehörtes Geräusch kracht im Trommelfell, Stunden später das bekannte, schrille, unbarmherzige Rufen des Weckers. Vor dem Fenster ist es Nacht, die Uhr sagt es ist Tag, früher Tag. Sie verbindet den Tag mit Licht, aber nicht mit künstlichem Licht, nicht Nachtlicht.
Mit kleinen Augen erreicht sie das Erdgeschoss, im Briefkasten ihres Nachbarn die Zeitung, ein absurder Titel, wie immer, eine Schrecksekunde (Nr.1), Erkenntnis. Sie hat von Verschwinden geträumt, von Löchern. Hat sie etwas mit der Sache zu tun?
Eine Tür fällt ins Schloss, Schrecksekunde (Nr.2).
thegirllistentonickcave - 25. Nov, 17:26
Tu, hat Mladenka gesagt, zu sich, es ist soweit, jetzt müsse sie auch so schnell wie möglich von hier weg, aus diesem Loch, in Deutschland. Sie, Mladenka, hätte oben im Taubenschlag gestanden, mit Blick auf die Gasse und dort seien Massen von Menschen unterwegs, schreiende, schweigende vor allem. Kurz davor dachte sie noch, Rosenberg und dass jedes Wort wie Blumen dufte, als sie aus dem Fenster blickte, sei sie sich nicht mehr sicher gewesen. Mein Gott, hätte sie bei diesem Anblick weitergedacht und für einen kurzen Moment an Moses und die Auswanderung aus Ägypten, wie man sie ihr in der Schule erzählt hatte. Es müsse also etwas passiert sein, etwas Schlimmes, so Mladenka, und als sie gerade das Fenster schließen wollte, um hinunter zu gehen und die Menschen zu fragen, was, sei eine ihrer Tauben gelandet. Ihre einzige Weiße, um genau zu sagen, und an ihrem Schnabel klebte weißes Fell, dünne Häarchen, ein Hase vielleicht, so Mladenka. Die Taube hätte sie vorgestern einem Bekannten am anderen Ende der Stadt zugesandt, als sie wiederkam, hätte sie auf das Fensterbrett gebrochen, sie hätte sie gestreichelt, den Finger durch den Sud gestrichen – Alkohol sei im Spiel. Sie hätte das Tierchen dann allerdings nicht weiter beachtet, auch, weil sie dachte, jetzt sei es ja raus, und den Brief gelesen. Lüge, stünde ganz oben, noch über dem Datum von heute. Dann: was denn jetzt mit der Welt los sei, wolle er wissen, einfach so ein Loch, ohne Krieg, so was ist doch eine Lüge. Nun sei ein Rathaus allerdings auch der beste Ort, der sich in ein Loch auflösen könne. Denn nun sei alle Allmacht in der Stadt dahin, und es regieren wieder die Vögel und Katzen, gegeneinander, und da wäre es mit einem Krieg und Löchern ohnehin nicht mehr so weit hin. Sie solle einmal ihre Bäume im Garten schütteln und prüfen, ob diese nicht etwas zu sagen hätten, ob die was wüssten, schließlich könne man sich auf die Natur noch verlassen, besonders auf die Bäume und das Gras. Und überhaupt, ob sie denn das Loch schon gesehen hätte, er selbst nicht und das was die Zeitung schreibe, dürfe man nicht glauben. Eine Lüge, hätte mehrmals noch unter dem Text gestanden und auf bald, F.W. Mladenka sei daraufhin, kurioserweise, im gleichen Moment wie die Taube, über einen Sack alten Brots gestolpert, und erst einmal liegen geblieben, im Korn, auf dem Holz, auch, weil sie im Treppenhaus Schritte gehört hätte, die nicht von ihren Ziegen stammen konnten.
Mladenka Ljubic - 25. Nov, 16:53
In diesen kalten Zeiten, mit dem Nieselregen, der auf schwarzen Kleidern perlt, ist es durchaus nicht einfach, das Wort Gottes zu verkünden. Die Arbeiten für den nächsten Dienstagmorgen, die Beerdigung einer vierundsechzigjährigen Frau, waren noch nicht ganz abgeschlossen, als Herr Alberg seiner Gewohnheit folgend, an einem matten Sonntagvormittag, zum nächstgelegenen Kiosk lief, um sich eine Süddeutsche Zeitung zu kaufen.
Das Rathaus, mit seinen Politikern, das Bau-, Sozial-, Standes- und Jugendamt soll durch einen Gefechtsschlag außerirdischer Kräfte in ein riesiges Erdloch verwandelt worden sein?
Pfarrer Alberg - 25. Nov, 16:47
Sir Pepe Kowalski wunderte sich sehr, wie lernfähig er doch war, wenn er denn lernen musste. So fiel ihm das Laufen auf vier Pfoten und das gleichzeitige Austarieren seines Gleichgewichtes mithilfe seines Schwanzes recht leicht, als er - an den in seine Wohnung eingebrochenen Männern vorbei - nach draußen auf die Straße lief.
Kowalski war schon zu Menschzeiten nie barfuß in der Stadt umhergelaufen, warum hätte er das auch tun sollen. Wenn Katzen nicht sowieso schon auf ihren Zehen laufen würden, so hätte Kowalski dies bestimmt von selbst getan, als er das erste Mal den kalten Asphalt unter seinen Pfoten spürte. Er überlegte, wohin er gehen konnte. Freunde hatte er keine. Nicht, dass er sich je um welche bemüht hätte, aber in misslichen Situation wie der seinen wären ihm Freunde, zumindest ein paar wenige, schon recht gewesen. Im Gehen listete er in seinem Kopf all die Namen seiner Exliebschaften auf, was ihm nicht all zu leicht viel. Es waren nicht gerade wenige gewesen in den letzten Jahren und Sir Pepe Kowalski hatte kein sonderlich gutes Gedächtnis, er merkte sich meist nur seine eigenen Geschichten, doch selbst vergaß er dann und wann einmal. Er versuchte sich zu erinnern, welche seiner weiblichen Bekanntschaften ihn verlassen hatte, ohne das er sich hatte etwas zu Schulden kommen lassen. Dieses Merkmal reduzierte die Anzahl der Namen erheblich.
Er ging um einen Häuserblock und blieb beim Anblick einer aggressiven, giftgelben Fassade auf der anderen Straßenseite unwillkürlich stehen. Dieses Gelb erinnerte ihn an irgendwas. Doch sobald Kowalski anfing, in seinem Gedächtnis danach zu suchen, bekam er ein Lied nicht mehr aus dem Kopf und musste gegen seinen Willen innerlich mitsingen, auch wenn ihm Teile des Textes immer wieder fehlten.
Dein Haar glänzt wie ein Sternenzelt, dein Mund ist die Versuchung selbst, aha.
Dein Teint ist wie aus einem Magazin, wie Blumen duftet jedes Wort, das über deine Lippen kommt, aha, begehrt er dich, so kann ich das verstehen.
Dass sich Sir Pepe Kowalski zu Menschzeiten die Namen seiner aktuellen und dann meist ziemlich schnell wieder verflossenen Liebschaften anhand von Schlagersongtexten gemerkt hatte, daran erinnerte er sich in diesem Moment nicht.
Nicht weit entfernt von dem Haus mit der giftgelben Fassade gab es einen Supermarkt, Kowalski erinnerte sich, dort des Öfteren eingekauft zu haben. Er blieb stehen und konnte durch die gläsernen Türen eine ihm sonderbar erscheinende Szenerie erblicken, eine Frau mit in Falten gezogener Stirn, die einer lächelnden anderen Frau eine Zahnpastatube entgegenhielt, dahinter, ein verstört dreinblickendes, wütendes kleines Mädchen und nun die Frau mit der Zahnpasta, wie sie die andere Frau – scheinbar aus dem Nichts – anschreit, sich umdreht, den Laden durch die Glastür verlässt, ohne Hinzuschauen direkt auf Sir Pepe Kowalski zukommt, fast über ihn stolpert, und ihm mit spitzen Stiefel ihm einen kräftigen Tritt verpasst, genau in die Lendengegend. Die darauffolgenden Beschimpfungen verstand er nicht mehr, kurz wurde ihm schwindelig, er hätte gern geschrieen, wenn er es doch gekonnt hätte, doch das schrille Kreischen eines leidenden Katers schien ihm fehl am Platz. Also versuchte er sich zusammen zu reißen, was ihm nur Rahmen seiner sehr beschränkten Leidensfähigkeit gelang, denn Sir Pepe Kowalski war schon zu Menschzeiten eine Lusche gewesen.
Er schleppte sich durch die Stadt, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Nach einer Weile erreichte er einen Park und legte sich an das Ufer eines Baches. Ihm gegenüber, zwei Mädchen, rauchend, spuckend. Eine der Beiden kam ihm seltsam bekannt vor und sobald er in ihr - doch recht hübsches – Gesicht blickte, kam ihm wieder unwillkürlich dieses Lied in den Kopf.
Ich seh dich an und weiß, daß ich
mit dir mich nicht vergleichen kann, aha.
Ich bin nicht so, bin nicht wie du.
Ein Teil von ihm gehört schon dir,
doch ehe ich ihn ganz verlier', aha,
bitte hör mich an.
Noch eh sich Sir Pepe Kowalski darüber wundern konnte, dass ihm alle möglichen Textzeilen dieses Liedes in den Sinn kamen, nicht jedoch der Refrain, spuckte eines der Mädchen über den Bach hinüber und traf ihm am Ohr. Pepe sprang verärgert auf und lief – es war inzwischen dunkel geworden – in Richtung eines Jahrmarktes. Am Rand standen die Wohnwagen der Schausteller, aus einem besonders abgewrackten schien Licht. Pepe merkte, dass er doch so langsam Hunger bekam und ging die kleine Aluminiumtreppe zur Tür hinauf, als ihn ein Mann auf der Treppe aufhielt. Hielt Sir Pepe seinen stinkenden Finger hin, das roch Pepe schon auf einen halben Meter Entfernung, er wich zurück. „Egal, wie sonderbar du bist, der Bruder meines Ururgroßvaters hätte dich verspeist. Er war eine Attraktion. Ein Geck. Er hätte sich nicht die Mühe gemacht dich erst umzubringen oder dir das Fell abzuziehen. Er hätte dich verschlungen wie du bist. Aber keine Angst. Ich mache so etwas nicht. So ein schönes Fell. Das ist doch viel zu schön, um es zu essen. Mir würde etwas Anderes einfallen, das ich damit machen könnte.“
Obwohl Sir Pepes zwischenmenschliche Gespür nie besonders ausgeprägt war, spürte er doch, dass er in Gefahr war.
Als Sir Pepe Kowalski den Rummelplatz verließ, ahnte er noch nichts von dem Loch, das sich in der Nacht auftun würde.
Sir Pepe Kowalski - 25. Nov, 12:49